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Home » Informationen » Der österreichische Unternehmer in Italien » 6. Arbeitsrecht
6. Arbeitsrecht
6.1. Einteilung der Arbeitnehmer

Das italienische Arbeitsrecht kennt zwar auch die Einstufung zwischen Arbeitern (“operai”) und Angestellten (“impiegati”), von besonderer praktischer Bedeutung für ausländische Unternehmen ist jedoch die Unterscheidung der verschiedenen Gruppen von Angestellten: Man unterscheidet “dirigenti” (leitende Angestellte), “quadri” (Angestellte im mittleren Verantwortungsbereich) und “altri impiegati” (sonstige Angestellte, z.B. Sekretärinnen).

6.1.1. Geschäftsführer

Geschäftsführer können in Italien grundsätzlich Angestellte sein. Wenn sich jedoch herausstellt, dass eine bestimmte Person im konkreten Fall zur Gesellschaft in keinem Verhältnis der Unterordnung steht, wird die Arbeitnehmereigenschaft von den Gerichten nicht anerkannt. Dies ist z.B. der Fall bei einem alleinigen Geschäftsführer bzw. dann, wenn die Willensbildung im Verwaltungsrat ohne die Zustimmung des Betroffenen nicht möglich ist, also z.B. in einem Verwaltungsrat, der aus nur zwei Mitgliedern besteht, da dann Entscheidungen nur mit Zustimmung beider Geschäftsführer gefasst werden können. Wenn ein Geschäftsführer auch angestellt wird, sollte eine ausdrückliche Vereinbarung darüber getroffen werden, ob der Betroffene neben dem Gehalt eine Funktionsgebühr als Geschäftsführer erhalten soll. Es ist schon vorgekommen, dass langjährige Geschäftsführer bei Gericht erst nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Nachzahlung von Funktionszuschlägen zu ihrem vereinbarten Gehalt verlangt – und erhalten – haben.

Als Alternative zur Anstellung eines Geschäftsführers kann ein Geschäftsführervertrag mit dem Mitglied des Verwaltungsrates oder dem Alleinigen Geschäftsführer abgeschlossen werden. In Italien wird ein solcher Vertrag als “contratto di collaborazione coordinata e continuativa” (Vertrag über eine ständige, geregelte Zusammenarbeit) eingestuft. Dieser Vertragstypus ist am ehesten mit einem österreichischen Werkvertrag vergleichbar. Im Falle ihres Ausscheidens erhalten die Geschäftsführer in diesem Fall keine Abfertigung. Bei solchen Verträgen müssen 13% Sozialversicherungsgebühr bezahlt werden, wobei dann aber – nach Erfüllung der Wartezeit und der übrigen Voraussetzungen – diesen Personen auch ein stattlicher Pensionsanspruch zusteht.

6.1.2. Leitende Angestellte („Dirigenti“)

Bei leitenden Angestellten sieht das italienische Arbeitsrecht u.a. folgende Besonderheiten vor:

  • Es ist die Vereinbarung einer Probezeit bis zu 6 Monaten möglich.
  • Arbeitsverträge leitender Angestellter können – im Gegensatz zu den meisten anderen Arbeitsverträgen - je nach Kollektivvertrag, bis zu einer Dauer von 5 Jahren befristet werden.
  • Für die leitenden Angestellten gelten die Vorschriften über die Arbeitszeit nicht.
    Erwähnenswert ist auch die Unterkategorie der ”direttori generali” innerhalb der Kategorie der leitenden Angestellten (”dirigenti”). Es handelt sich dabei um Personen, die in der Unternehmenshierarchie unmittelbar unter dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften stehen und – ohne Mitglieder des Verwaltungsrates zu sein – dessen Entscheidungen intern vorbereiten und nach Beschlussfassung im Verwaltungsrat durchführen. Die Position des “direttore generale” ist trotz der wörtlichen Übersetzung “Generaldirektor” in der deutschen Sprache nicht mit einem Generaldirektor nach österreichischem Recht zu vergleichen. Die “direttori generali” in Italien sind grundsätzlich Arbeitnehmer der Gesellschaft und - entsprechend der Bedeutung ihrer Arbeit - können Sie nur als “dirigenti” (leitende Angestellte) eingestuft werden.

    6.1.3. Angestellte im mittleren Verantwortungsbereich (”Quadri”)

    Es handelt sich dabei um die Angestellte, denen ein abgrenzbarer Verantwortungsbereich innerhalb des Unternehmens zugeteilt wurde. Für die ”quadri” gelten oft andere Kollektivverträge als jene, die auf die “dirigenti” (leitenden Angestellten) in dem betreffenden Wirtschaftszweig anwendbar sind. Die Unterscheidung zwischen dem ”dirigente” und dem ”quadro” ist insbesondere deshalb von großer praktischer Bedeutung, weil u.U. ein leitender Angestellter eines Unternehmens gekündigt werden kann, und ein Angestellter, der – unabhängig von der formellen Einstufung im Arbeitsvertrag – tatsächlich im mittleren Verantwortungsbereich gearbeitet hat, praktisch unkündbar sein kann. Manchmal entsteht deshalb vor Gericht ein Streit über die korrekte Einstufung eines Arbeitnehmers, der vermieden werden kann, wenn man sich dieses Problems von vornherein bewusst ist.

    6.1.4. Sonstige Angestellte (“Altri impiegati”)

    Die Rechtsstellung der Arbeiter und Angestellten wird in Italien viel umfangreicher als in Österreich durch Kollektivverträge geregelt.

    Insbesondere finden sich in Kollektivverträgen – je nach Wirtschaftszweig – zum Teil sehr detaillierte Regelungen zum Beispiel folgender Angelegenheiten:
    • Zulässigkeit und Grenzen der Vereinbarung von befristeten Arbeitsverträgen
    • Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes
    • Arbeitszeit
    • Regelung von Versetzungen und Dienstreisen
    • zeitliche Beschränkung der Probezeit
    • Urlaubsregelungen
    • ein im Detail geregeltes Disziplinarverfahren, das bei Verfehlungen des Dienstnehmers exakt eingehalten werden muss, da ansonsten eine Entlassung u. U. nicht mehr möglich ist
    • Möglichkeit der Anrufung eines Schiedsgerichtes für Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens)

    6.2. Kündigung von Arbeitnehmern

    6.2.1. Allgemeines

    Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und kann nur auf Basis eines Kündigungsgrundes erfolgen. Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des Arbeitnehmers die Kündigung schriftlich zu begründen. Diese schriftliche Begründung ist in einem gerichtlichen Verfahren über die Anfechtung der Kündigung von großer Bedeutung, weil ausschließlich über die vom Arbeitgeber in der schriftlichen Begründung angegebenen Tatsachen verhandelt wird.

    Allerdings ist es weiterhin nur in Betrieben mit mindestens 16 Beschäftigten möglich, dass der Richter mit Urteil im Kündigungsanfechtungsprozess die Wiedereingliederung des gekündigten Dienstnehmers in den Arbeitsprozess anordnet. Der Dienstnehmer hat das Recht, anstatt der Wiedereingliederung von vornherein eine Entschädigung zu verlangen.

    Kündigungsgründe sind grundsätzlich lediglich “wichtige Gründe”, die u.a. in der erheblichen Nichterfüllung vertraglicher Pflichten liegen oder “gerechtfertigte Motive”, das sind Gründe, die mit der Produktionstätigkeit, der Arbeitsorganisation oder dem ordnungsgemäßen Funktionieren derselben im Zusammenhang steht.

    Beim Kündigungsschutz - d.h. bei den Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Kündigung (ohne “wichtigen Grund” bzw. “gerechtfertigtes Motiv”) - ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Unternehmen, die mehr als 15 Arbeitnehmer in dem Betrieb bzw. in derselben Gemeinde, in dem der betroffene Arbeitnehmer gearbeitet hat, oder mehr als 60 Arbeitnehmer im gesamten Unternehmen beschäftigen, und jenen Unternehmen, die diese Grenzwerte betreffend die Arbeitnehmerzahl nicht erreichen.

    Bei Unternehmen, die weniger als 15 Arbeitnehmer beschäftigen, hat im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung und einer Verurteilung des Arbeitgebers durch das Arbeitsgericht der Arbeitgeber selbst die Wahl hat zwischen:
    • Der Wiedereinstellung des Arbeitnehmers oder
    • der Zahlung einer pauschalierten Entschädigung (zusätzlich zu einer eventuellen Entschädigung für die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist, sowie der Abfertigung) von 2,5 bis 6 Monatsgehältern, wobei das Arbeitsgericht in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände innerhalb dieses Rahmens die Entschädigungszahlung festsetzt.

    Bei Betrieben mit mehr als 15 Arbeitnehmern steht diese Wahlmöglichkeit hingegen dem Arbeitnehmer zu. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer die Wiedereingliederung in den Betrieb verlangen kann. Der Arbeitgeber hat dann nicht die Möglichkeit, die Wiedereinstellung durch Zahlung der pauschalierten Entschädigung von 2,5 bis 6 Monatsgehältern abzuwenden.

    6.2.2. Besonderheiten bei der Kündigung von leitenden Angestellten

    Bei den leitenden Angestellten (“dirigenti”) ist grundsätzlich eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses ohne gerechtfertigtes Motiv (“giustificato motivo”) oder wichtigen Grund (“giusta causa”), d.h. ohne das Äquivalent eines Entlassungsgrundes im Sinne der in Österreich verwendeten Terminologie bzw. der objektiven Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers aus Gründen der Umorganisation des Unternehmens, möglich. Die Kündigung kann jedoch je nach anwendbaren Kollektivvertrag extrem teuer werden, da dem gekündigten “dirigente” außer dem Anspruch auf Einhaltung der Kündigungsfrist oder Zahlung einer Entschädigung dafür (bei sofortiger Wirksamkeit der Auflösung), auch eine Abfertigung (grundsätzlich ein Monatsgehalt pro Dienstjahr) und unter Umständen zusätzlich eine spezielle Kündigungsentschädigung gebührt. Diese letztere Kündigungsentschädigung kann, insbesondere bei Handelsunternehmen, für österreichische Verhältnisse geradezu astronomische Höhen erreichen und für sich alleine bis zu 18 Monatsgehältern ausmachen, wenn der Arbeitnehmer sich in dem als kritisch eingestuften Alter befindet, in dem es als außerordentlich schwierig erachtet wird, einen neuen Arbeitgeber zu finden (grundsätzlich im Alter von 50 bis 60 Jahren), ohne jedoch in Frühpension gehen zu können.

    6.3. Sozialversicherung

    Grundsätzlich müssen Österreicher, die in Italien arbeiten, bei den italienischen Sozialversicherungsbehörden (INPS bzw. INAIL) sozialversichert werden.

    Für bestimmte Zeiträume stellt jedoch das Rechtsinstitut der ”Entsendung” eines Arbeitnehmers nach Italien eine Alternative dar. Entsandte Arbeitnehmer können weiter in Österreich sozialversichert bleiben, falls die Dauer der Beschäftigung in Italien 12 Monate nicht übersteigt und der Arbeitnehmer nicht einen anderen ersetzt, der schon länger als 12 Monate in Italien beschäftigt ist. Die österreichischen Versicherungsträger erlassen eine Bestätigung die zum Bezug von Leistungen aus der Krankenversicherung in Italien dient (Formular E 101). Aus besonderen Gründen kann die zwölfmonatige Dauer auch um weitere 12 Monate, insgesamt jedoch maximal bis zu 5 Jahren, erstreckt werden.

    6.4. Das Decreto Legislativo Nr. 276/03 (die so genannte „Legge Biagi”)

    Am 1. Jänner 2004 sind die gesetzlichen Bestimmungen des arbeitsrechtlichen Reformgesetzes (D. Lgs 276/03, „Legge Biagi“) mit den nachfolgenden wichtigsten Neuerungen in Kraft getreten:

    6.4.1. Projektverträge und „co.co.co“-Verträge

    Schon bisher konnten Firmen mit ihren Mitarbeitern befristete Werkverträge abschließen, die sog. „collaborazioni coordinate e continuative“, kurz „co.co.co“. Die Novelle Biagi hat diese Vertragsform nicht abgeschafft, sondern ergänzt und erweitert sie durch die Möglichkeit der Projektverträge. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können nunmehr eine Zusammenarbeit für ein oder mehrere - größere oder kleinere - Projekte vereinbaren. Der Vertrag legt die Inhalte und Ziele der Projekte fest. Die Dauer des Projektes darf ein Jahr nicht überschreiten. Bei Verzögerungen ist jedoch eine jährliche Verlängerung der Vertragslaufzeit möglich.

    6.4.2. Verträge zur Einarbeitung

    Diese Verträge dienen der Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt und lösen die bisherigen Ausbildungsarbeitsverträge („contratto di formazione e lavoro“) ab. Diese Vertragsform hat vor allem jene Gruppen vor Augen, bei welchen sich die Eingliederung in den Arbeitsmarkt als besonders problematisch darstellt - also Langzeitarbeitslose, Arbeitslose über 45 Jahren, Bewerber mit Behinderungen, Berufsrückkehrer/innen und andere. Der Arbeitnehmer arbeitet während der Laufzeit des Vertrages (maximal drei Jahre) zu relativ geringen Kosten für den Arbeitgeber. Dieser verpflichtet sich, 60 Prozent der "Auszubildenden" nach Abschluss der Einarbeitungsphase mit einem unbefristeten Vertrag zu übernehmen. Der Vertrag beschreibt die Lernziele und legt einen individuellen Ausbildungsplan fest.

    6.4.3. „Job on call“

    Arbeitslose können verpflichtet werden, sich auf Abruf - "on call" - für bestimmte Aufträge von Arbeitgebern bereit zu halten. Der Arbeitgeber muss seinen Bedarf rechtzeitig direkt bei seinem Vertragspartner ankündigen. Lehnt der Arbeitslose die Angebote ab, kann er seinen Anspruch auf - das relativ niedrige - Arbeitslosengeld verlieren. Das Programm ist vor allem für Arbeitslose unter 25 bzw. über 45 Jahren gedacht und soll die Integration ins Berufsleben erleichtern.

    6.4.4. Praxis für die Lehrlingsausbildung

    Eine Praxis für die Lehrlingsausbildung („apprendistato“) gibt es in drei Varianten:
    • Als Ausbildungszeit für Jugendliche nach Abschluss der Schulpflicht;
    • als Weiterbildungsphase für junge Menschen zwischen 18 und 29 Jahren und
    • als eine Art Trainee-Programm, das zu einer von der Landesregierung anerkannten Berufsbezeichnung führt.
      6.4.5. Arbeitsplatzteilung („lavoro ripartito“, Jobsharing)

      Bei diesem Modell teilen sich zwei Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz und verpflichten sich in Absprache mit dem Arbeitgeber, eine einzige Arbeitsleistung zu erbringen. Beide Arbeitnehmer haften solidarisch für die Arbeitsleistung .

      Die Arbeitnehmer können sich die Arbeitszeit sowie Arbeitsleistung untereinander selbstständig einteilen, wobei die Entlohnung unter Berücksichtigung des Diskriminierungsverbotes proportional zur effektiv geleisteten Arbeit erfolgt. Soweit nichts anderes vereinbart wurde, löst sich das gesamte Arbeitsverhältnis auf, sobald einer der beiden Arbeitnehmer kündigt oder entlassen wird.

      © Petsch Frosch Klein Arturo Rechtsanwaelte 2010

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