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Home » Informationen » Der österreichische Unternehmer in Italien » 3. Vertriebsrecht
3. Vertriebsrecht
3.1. Handelsvertreter

3.1.1. Rechtsstellung

Die Rechtsstellung des Handelsvertreters nach italienischem Recht wird durch den Codice Civile grundsätzlich, im Detail jedoch durch eine eher unüberschaubare Zahl von Kollektivverträgen geregelt. Bereits 1991 wurde das italienische Handelsvertreterrecht der EG-Richtlinie 86/653 angeglichen. Damit ist es zu einer Reihe von Abänderungen des materiellen italienischen Rechtes, insbesondere auch hinsichtlich des Umfangs und der Berechnung des Ausgleichsanspruches, gekommen.

Das EU-konforme italienische Handelsvertreterrecht ist am 1. Jänner 1994 in Kraft getreten.

Nach einem aus dem Jahre 1985 stammenden Gesetz muss jeder italienische Handelsvertreter in einem Register, das von der örtlichen Handelskammer geführt wird, eingetragen sein. Zum Inkasso ist er nur berechtigt, wenn er dazu bevollmächtigt worden ist. Mängelrügen kann er entgegennehmen. Die Haftung des Vertreters für die Forderungsausfälle ist nur begrenzt möglich; sie kann nur jeweils für einzelne Geschäfte vereinbart werden, kann betragsmäßig nicht höher sein als die Provision für dieses Geschäft, und es muss dem Handelsvertreter dafür ein Entgelt gezahlt werden. Alle italienischen Handelsvertreter sind im Wege eines staatlichen Fonds versichert (Enasarco), an den der Unternehmer und der Handelsvertreter je 50% der Beiträge leisten. Aus diesem Fonds werden zum Teil auch die bei Auflösung des Vertragsverhältnisses bestehenden Ausgleichsansprüche bezahlt. Für Rechtsstreitigkeiten mit Handelsvertretern sind in Italien die Arbeitsgerichte zuständig.

3.1.2. Enasarco

Vom ausländischen Unternehmer wurden bis 31.12.2003 keine Beiträge verlangt, es sei denn, dass der ausländische Unternehmer in Italien eine Zweigniederlassung oder Betriebsstätte unterhielt. In diesem Fall bestand jedoch der Ausgleichsanspruch direkt gegenüber dem Unternehmer.

Seit 1.1.2004 sind auch ausländische Unternehmen, die keinen Sitz, keine Zweigniederlassung oder Betriebsstätte in Italien haben, verpflichtet, ihre in Italien tätigen Handelsvertreter beim Fonds Enasarco anzumelden und für sie 50% der Beiträge abzuführen.

Ausgenommen von dieser Zwangsmitgliedschaft beim Fonds Enasarco sind nur mehr ausschließlich im Ausland tätige Handelsvertreter.

3.1.3. Anwendbares Recht

Aufgrund der sich insbesondere auch aus den Kollektiverträgen ergebenden, für einen Ausländer nicht leicht durchschaubaren Rechte und Pflichten eines der italienischen Rechtsordnung unterstellten Handelsvertreters, ist es für einen österreichischen Exporteur unter Umständen auch in diesem Rechtsbereich empfehlenswert, gegenüber seinem italienischen Handelsvertreter auf der Vereinbarung österreichischen Rechts zu bestehen.

Um die uneingeschränkte Anwendung des österreichischen Rechtes sicherzustellen, muss diese Vereinbarung natürlich auch mit einer entsprechenden Gerichtsstandvereinbarung abgesichert werden.

3.1.4. Ausgleichsanspruch

Bei der Umsetzung der Bestimmungen der EG-Richtlinie über den Ausgleichsanspruch ist dem italienischen Gesetzgeber 1991 ein wesentlicher Fehler unterlaufen.

Nach der betreffenden EG-Richtlinie und nach der in diesem Sinn auch richtigen Umsetzung durch den österreichischen Gesetzgeber steht dem Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch im Höchstbetrag einer Jahresprovision dann zu, wenn er dem Geschäftsherrn neue Kunden zugeführt hat oder den Geschäftsumfang mit bestehenden Kunden wesentlich ausgedehnt hat und dem Geschäftsherrn daraus Vorteile erwachsen, falls die Bezahlung eines Ausgleichsanspruches unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Provisionen, die der Handelsvertreter verliert und die aus seinem Kundenkreis stammen, billig ist.

Der italienische Gesetzgeber hatte jedoch die Billigkeitsregelung alternativ in das Ausführungsgesetz aufgenommen, was bedeutet, dass nach italienischem Recht aus Billigkeitsgründen dem Handelsvertreter auch dann ein Ausgleichsanspruch zugesprochen werden kann, wenn er keine neuen Kunden gebracht hat und auch den Geschäftsumfang mit bestehenden Kunden nicht entsprechend ausgedehnt hat.

Dieser Fehler ist in der Zwischenzeit durch eine Gesetzesänderung korrigiert worden, so dass die derzeitige Rechtslage bezüglich Ausgleichsanspruch der österreichischen Rechtslage formell entspricht.

Neben der Umsetzung der entsprechenden Bestimmungen der EU-Richtlinie, die für die Berechnung des Ausgleichsanspruches relativ flexible Kriterien enthalten, gibt es in Italien einen Kollektivvertrag zwischen Unternehmerverbänden und Interessensvertretungen der Handelsvertreter, der im Detail eine komplizierte, dreistufige Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters vorsieht. Die Kollektivvertragsparteien hatten sich darauf geeinigt, ihren im Kollektivvertrag vereinbarten Berechnungsmodus als “übereinstimmende Interpretation des Gesetzes” zu deklarieren, wozu sie eigentlich nach italienischem Verfassungsrecht überhaupt nicht berechtigt waren. Da jedoch die Gerichte jahrzehntelang diese Kollektivverträge angewandt haben, muss davon ausgegangen werden, dass – bis zur Obergrenze von 12 Monaten Provision – diese Kriterien auch weiterhin, zumindest als Ausgangspunkt für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs, angewandt werden.

Auf der anderen Seite müssen italienische Exporteure damit rechnen, dass der Ausgleichsanspruch nach österreichischem Recht nicht von vornherein genau beziffert werden kann, und nicht nur vom Umsatz und der Dauer des Vertrages, wie in Italien, abhängt, sondern auch von anderen Kriterien, wie vor allem:

  • der Anzahl und die Bedeutung der Kunden, die der Handelsvertreter dem Unternehmer vermittelt hat und
    • der Frage, ob die dem Unternehmer vermittelten Kunden diesem nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Handelsvertreter verbleiben, sowie dem Element der Billigkeit, wonach der Richter den Ausgleichsanspruch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auf ein Ausmaß festsetzen kann, das ihm in diesem besonderen Fall als gerechtfertigt erscheint.

    Im Allgemeinen kann man sagen, dass nach italienischem Recht der Ausgleichsanspruch bei einer kurzen Dauer des Handelsvertretungsverhältnisses wahrscheinlich geringer ausfallen wird. Ob und inwieweit jedoch eine radikale Änderung der italienischen Rechtsprechung über die Abfertigung des Handelsvertreters aufgrund der Umsetzung der o.e. EU-Richtlinie eintreten wird, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden.

    Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der o.e. italienische Kollektivvertrag auf ausländische Unternehmen, die nicht Mitglied der Unternehmerverbände sind die diesen Kollektivvertrag abgeschlossen haben, grundsätzlich nicht direkt anwendbar ist - aber unter Umständen von den italienischen Gerichten als Ausgangsbasis herangezogen werden kann.

    3.2. Eigenhändler

    Im Unterschied zum Handelsvertreter schließt der Vertragshändler mit seinen Kunden Rechtsgeschäfte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ab. Dieser Vertragstypus ist im italienischen Recht nicht besonders geregelt. Er wird von der Judikatur unter die Sukzessivlieferungsverträge eingereiht. Daraus ergibt sich unter anderem, dass die Aufkündigung des Vertragsverhältnisses nur unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist möglich ist, bei deren Nichteinhaltung Schadenersatzansprüche entstehen können.

    Im Gegensatz zum Handelsvertreter, für den nach dem italienischem Recht die Einräumung eines Gebietsschutzes vertragstypisch ist, steht dem Vertrags- oder Eigenhändler nach italienischem Recht eine Exklusivität nur bei besonderer Vereinbarung zu.

    Im Gegensatz zu der österreichischen oberstgerichtlichen Judikatur gibt es in Italien derzeit noch keine oberstgerichtliche Entscheidung, die dem Vertragshändler bei Auflösung des Vertragsverhältnisses einen Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des Handelsvertreterrechts zuspricht.

    3.3. Wettbewerbsrecht

    Interessant ist, dass die italienische Rechtsordnung die Bindung des Vertrags- oder Eigenhändlers an einen ihm vorgegebenen Wiederverkaufspreis nicht sehr streng beurteilte. Nach einigen älteren Entscheidungen des italienischen Kassationsgerichtshofs sind derartige Preisbindungen bei Vorliegen beachtenswerter Interessen einer der Parteien aber für zulässig erachtet worden.

    Eine Änderung der Rechtslage in Italien ist hier allerdings seit dem Inkrafttreten des Kartellgesetzes vom 10. Oktober 1990 Nummer 287 eingetreten, mit dem besondere Bestimmungen zur Wahrung des Wettbewerbs und eine eigene Behörde, die sogenannte „Autorità Garante“, die darüber zu wachen hat, dass der freie Wettbewerb erhalten bleibt, eingeführt worden sind. Nach Artikel 2 Nr. 2 des zitierten Gesetzes sind daher alle Vereinbarungen nichtig, die bewirken, dass der freie Wettbewerb auf dem italienischen Markt - oder auf einem relevanten Teilmarkt - eingeschränkt wird.

    Dies ist insbesondere bei direkter oder indirekter Bindung an vorgegebene Einkaufs- oder Verkaufspreise sowie bei Aufteilung des Marktes anzunehmen. Es unterliegen daher nunmehr auch die vertikalen Vertriebsbindungen sowie die Vereinbarung eines absoluten Gebietsschutzes der Kontrolle durch die „Autorità Garante“ und sind im Fall der Wettbewerbswidrigkeit von der Nichtigkeit bedroht.

    © Petsch Frosch Klein Arturo Rechtsanwaelte 2010

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